Ohne Arbeit
Ein weniger beachtetes Thema der COVID-19 Krise ist die Arbeit.
Zwang-Isolation, Ängste, bei einigen Panik, entstehende Existenzängste und Irritation des Sicherheitsbedürfnisses sind die Vorboten für ein weiteres Problem. Bislang arbeiten etwa 10% in Kurzarbeit, Tendenz steigend. Weitere 22% im Homeoffice. Arbeitslosigkeit droht. Aber auch der Entzug von regulärer Arbeit und des gewohnten Arbeitsplatzes wird nicht ohne seelische Folgen bleiben. Dazu zählt auch das Ausbleiben von direkten und sozialen Kontakten. Und dies bereits seit Wochen. Vielleicht werden es Monate des verordneten Arbeitsentzuges werden.
Wenn dem Menschen die Arbeit genommen wird, leidet er in der Regel darunter. Das war bereits vor Corona der Fall. Arbeit ist integraler Bestandteil des menschlichen Wesens. Im März 2020 waren das ca. 2,335 Millionen, ca. 5% der Erwerbsfähigen. Wir dürfen gespannt sein, wie viele Mitbürger es im Herbst sein werden. Die Faktoren, von denen erwartet wird, dass sie das Los der Arbeitslosen verbessern, sind nur begrenzt wirksam. Die Änderung des Familieneinkommens beispielsweise steht nicht in signifikantem Zusammenhang mit dem Wohlbefinden. Die Berechtigung zur Arbeitslosenversicherung schwächt die Auswirkungen des Arbeitsplatzverlusts nur geringfügig ab.
Das unterstreicht die tiefe und unüberwindliche Härte, die durch die Arbeitslosigkeit in Amerika verursacht wird. Corona Soforthilfen sind ebenfalls ein schlechter Ersatz für die Arbeit.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde ein ganzes Dorf in Österreich wegen einer Fabrikschließung arbeitslos. Eine der Schlussfolgerungen der Marienthal Studie war die einer „müden Gemeinschaft“. Bei einem erheblichen Teil der Arbeitslosen wurde Resignation, Unfähigkeit zur Aktivität und Überforderung durch erzwungenes Nichtstun festgestellt. Das kulturelle Leben verödete. Die Bibliothek wurde weniger besucht. Das Vereinsleben ging zurück, die Feindseligkeiten nahmen zu. Vor allem Resignation (rund 70%) und Gebrochenheit (etwa 8%) als Reaktionsformen wurden festgestellt. Arbeitslosigkeit führt zu einer Abnahme der Lebenszufriedenheit und dass sich die Arbeitslosen nicht mehr an frühere Niveaus der Lebenszufriedenheit anpassen können. Menschen leiden häufiger an Trauer, verspüren Angst und sind beim Übergang in die Arbeitslosigkeit weniger glücklich. Der durch Arbeitslosigkeit verursachte psychische Schaden ist laut einer Studie von Forschern der Universität von Stirling größer als bisher angenommen. Die Verhaltenswissenschaftler fanden heraus, dass Arbeitslosigkeit neben oben genannten Folgen auch zu großen Veränderungen der Kernpersönlichkeit einer Person führen kann. Der Verlust des Arbeitsplatzes wird meist als besonders schwieriger Rückschlag für das Leben erlebt. Die Persönlichkeit wird in der Regel langfristig als stabil angesehen, doch die Erfahrung der Arbeitslosigkeit führte auch zu einem verringerten Maß an Gewissenhaftigkeit, Angemessenheit und Offenheit. Dies bedeutet, dass der Einzelne die Motivation verliert, weniger rücksichtsvoll und mitfühlend ist. Er bringt weniger Interesse für die ihn umgebende Welt auf. Diese Veränderungen waren umso größer, je länger eine Person ohne Erwerbsarbeit war. Weitere Studienergebnisse zeigen, dass es für Menschen einfacher ist, ihr Zuhause aufzugeben oder zu sehen, wie ihre Kinder wegziehen („Empty Nest – Syndrom“), als dass sie ihren Arbeitsplatz („Missing Job- Syndrom“) verlieren. Dies führt zu erheblichem emotionalem Stress. Es ist unwürdig und krankmachend, arbeitswillig, jedoch ohne Erwerbsarbeit zu sein.
Vorschlag
Menschen wollen arbeiten. Das ist ein Grundrecht und -bedürfnis. Wir benötigen neue unkomplizierte Zugänge zu erwerblicher wie unbezahlter Arbeit. Vielleicht sollte eine Stiftung gegründet werden, die Arbeit sammelt und verteilt. Diese Stiftung könnte „Stiftung der Arbeit“ heißen und würde getragen von möglichst vielen Stiftungen und unterstützt vom Staat. Soziale Träger wie Unternehmen könnten Arbeit melden, nicht Arbeitsplätze. Jeder könnte Arbeit geben und Arbeit annehmen. Vielleicht fangen wir mit geschenkter Arbeit an. Arbeit ist eigentlich ein Geben. Einkommen ein dem Folgendes. Das wäre ein Anfang.